EU-Pflichten 2025/26 im Überblick: Was Qualitätsmanager jetzt wissen müssen
7 Oct 2025
Einleitung
Die EU verschärft 2025/26 ihre produkt- und umweltrechtlichen Anforderungen, um Kreislaufwirtschaft, Transparenz und Schadstoffminimierung entlang der Lieferkette durchzusetzen. Für Hersteller ist dies ein Schlüsselzeitraum, da PPWR (neue EU-Verpackungsverordnung) ab 2026 gilt, die CSDDD in nationales Recht überführt wird und die Batteriepass-Pflicht 2027 ansteht. Zielgruppe dieses Überblicks sind Qualitätsmanager, Compliance-Teams und Hersteller, die Prozesse, Daten und Lieferantensteuerung entsprechend ausrichten müssen.
REACH 2025 – Chemikalienmanagement verschärft
Die REACH-Beschränkung für absichtlich zugesetzte Mikroplastikpartikel (VO (EU) 2023/2055) gilt mit gestaffelten Übergangsfristen bis 2035, wodurch Rezepturen, Kennzeichnung und Inverkehrbringen in zahlreichen Produktgruppen angepasst werden müssen. 2025 wurde die Kandidatenliste der SVHCs in zwei Runden erweitert (Januar und Juni), was zusätzliche Informations‑ und ggf. SCIP‑Meldepflichten für Artikel ≥0,1% w/w SVHC auslöst. Parallel schreitet die PFAS-Gruppenbeschränkung im REACH-Verfahren voran, nachdem 2025 eine überarbeitete Fassung des Vorschlags veröffentlicht wurde, die zehntausende Stoffe adressieren kann.
Relevanz für Hersteller & Lieferketten: SVHC-Neuaufnahmen erfordern Material- und Artikel-Screenings, Lieferantenabfragen und ggf. SCIP-Notifikationen über die ECHA-Plattform bei ≥0,1% w/w SVHC in Artikeln.
Praktische To-dos: SVHC/REACH-Register aktualisieren, Mikroplastik-Vorkommen in Rezepturen prüfen, SCIP-Datenflüsse über IUCLID etablieren und PFAS-Risiken in Materialien, Beschichtungen und Prozessen proaktiv bewerten.
RoHS 2025 – Elektronik im Fokus
Die RoHS-Richtlinie beschränkt weiterhin zehn Stoffe (u. a. Blei, Cadmium, Hg, Cr(VI), PBB, PBDE, DEHP, BBP, DBP, DIBP) in Elektro- und Elektronikgeräten und wird über Ausnahmen und delegierte Rechtsakte fortgeschrieben. 2025 sind Fristen für Ausnahmenerneuerungen sowie neue/angepasste Ausnahmen relevant; versäumte Verlängerungen gefährden Konformität und Marktzugang.
Auswirkungen auf Produktentwicklung & Zulieferer: Stoff-Compliance muss frühzeitig in Design-FMEAs, Werkstofffreigaben und Lieferanten-PPAP integriert werden, da RoHS-Verstöße direkt die Konformität elektronischer Baugruppen betreffen.
Dokumentationspflichten: Technische Unterlagen und Konformitätserklärungen müssen RoHS-relevante Nachweise und ggf. Ausnahmen referenzieren; vorausschauendes Exemptions-Management reduziert Re-Design-Risiken.
PPWR – EU-Verpackungsverordnung
Die neue EU-Verpackungsverordnung als Verordnung (EU) 2025/40 ersetzt die Richtlinie und schafft ab 2026 einheitliche, verbindliche Vorgaben zu nachhaltigem Design, Minimierung, Rezyklatanteilen, Wiederverwendung und Kennzeichnung. Sie fordert u. a. Material- und Reuse-Kennzeichnungen, digitale Datenträger (z. B. QR) und klare Regeln für Umweltbehauptungen, flankiert von Rezyklatquoten insbesondere für Kunststoffverpackungen.
Recyclingquoten & Kennzeichnung: Verpackungen müssen materialbezogen gekennzeichnet und über Daten-träger mit Informationen zu Reuse/Recycling und ggf. Rezyklatgehalten verknüpft werden, um Sortier- und Kreislaufqualität zu erhöhen.
Handlungsschritte: Verpackungs-BOMs erfassen, Material-Labeling und QR-Datenflüsse definieren, Artwork‑Rollouts planen, Rezyklatbeschaffung absichern und Claims-Review gegen Greenwashing-Risiken verankern.
EU‑Batterieverordnung
Die Verordnung (EU) 2023/1542 verankert Carbon Footprint, Sorgfaltspflichten, Sammel- und Recyclingziele sowie umfassende Informationspflichten für Batterie-Lebenszyklen. Ab 1. Februar 2027 wird der digitale Batteriepass für EV- und Industriebatterien >2 kWh obligatorisch, abrufbar über eindeutige Kennung/QR und mit schrittweisen Anforderungen bis 2030+.
Nachverfolgbarkeit: Der Pass stellt Daten zu Herkunft, Materialzusammensetzung, CO₂-Fußabdruck, Recycling und Sicherheit bereit und erhöht Transparenz für Marktaufsicht, Werkstätten und Recyclingsysteme.
Bedeutung für QM & UMS: Auditfähige Datenerhebung über Werke, Lieferketten und Produktnutzung ist erforderlich, inklusive dritter Prüfungen für Carbon-Footprint-Erklärungen und Erfüllung von Effizienz-/Rückgewinnungszielen.
CSDDD – Sorgfaltspflichten in der Lieferkette
Die CSDDD (RL 2024/1760) ist am 25. Juli 2024 in Kraft getreten und wird bis 2026/27 national umgesetzt, mit gestaffelten Pflichten ab 2027 nach Unternehmensgröße und Umsatz. Der finale Kompromiss erfasst Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern und 450 Mio. € Umsatz weltweit, mit Phasenstarts 2027/2028/2029 je nach Schwelle; Nichtbeachtung kann zu erheblichen aufsichtsrechtlichen Maßnahmen und Bußgeldern führen.
Risiken bei Nichtbeachtung: Neben behördlichen Anordnungen drohen umsatzbasierte Geldbußen bis zu 5% und zivilrechtliche Haftungsrisiken für unterlassene Sorgfaltsprozesse.
Rolle des QM im ESG-Kontext: Qualitätsmanagement sollte Risikoanalyse, Präventions- und Abhilfemaßnahmen sowie Wirksamkeitskontrollen prozessorientiert verankern und Lieferantenaudits über Tier‑1 hinaus skalieren.
Digitaler Produktpass (DPP)
Der DPP wird durch die Ecodesign for Sustainable Products Regulation (ESPR, 2024) eingeführt und schrittweise produktspezifisch verpflichtend, beginnend mit vorrangigen Sektoren wie Batterien. Er ist eine digital zugängliche Datensammlung je Produkt mit eindeutiger Kennung, die Informationen etwa zu Materialien, Reparierbarkeit, Substances of Concern und Konformität bereitstellt.
Welche Daten sind bereitzustellen: Produkt-Identifikator, Konformitätsdokumente, Material- und Chemikaliendaten, Reparatur- und End-of-Life-Informationen sowie Zugriffsmechanismen via QR/NFC je Implementierungsakt.
Integration: Anbindung an PLM/ERP/MDM und externe Register ist nötig, um Lieferkettendaten, Prüfberichte und behördliche Abrufe sicher, versioniert und öffentlich/rollenspezifisch zugreifbar zu halten.
Konkrete Handlungsempfehlungen für Qualitätsmanager
Checkliste Schritt 1: Rechtskataster 2025/26 aktualisieren (REACH inkl. Mikroplastik, RoHS-Ausnahmen, PPWR, BattVO, CSDDD, ESPR/DPP) und Verantwortlichkeiten, Fristen, Nachweise abbilden.
Schritt 2: Stoff- und Artikel-BOMs harmonisieren, SVHC-Screening etablieren und SCIP-Workflow mit IUCLID für Artikel ≥0,1% w/w SVHC aufsetzen.
Schritt 3: RoHS-Exemptions-Management mit Fristenmonitoring 2025 einführen und Lieferantenerklärungen/Testberichte in die Technische Dokumentation integrieren.
Schritt 4: PPWR-Programm starten: Materiallabeling, QR/Daten-träger, Rezyklatquoten-Roadmap, Artwork-Umstellungen und Green-Claims-Review definieren.
Schritt 5: Batteriepass-Readiness prüfen: CO₂-Daten je Werk/Los, Drittverifizierung, Pass-Datenmodell und QR-Prozesse für >2 kWh EV/Industriebatterien bis 02/2027 sichern.
Schritt 6: CSDDD-Due-Diligence-Prozess (Policy, Risikoanalyse, Maßnahmen, Beschwerdemechanismus, Monitoring, Berichterstattung) mit Lieferantenaudits jenseits Tier‑1 operationalisieren.
Digitale Tools & Automatisierung
Digitale Produktpässe und offene Datenansätze erfordern strukturierte, interoperable Datensysteme; daher sollten PLM/ERP mit DPP‑fähigen Datenmodellen, QR/NFC-Carrier und Schnittstellen zu Behördenportalen frühzeitig etabliert werden. Automatisierung von Supplier-Questionnaires, Prüfbericht-Validierung und Konformitätserklärungen kann Compliance beschleunigen, etwa durch spezialisierte Workflows und KI-gestützte Dokumentenprüfung in kombinierten Toolchains wie z. B. turnus.ai als Orchestrator für Daten- und Prozessintegration.
Chancen statt nur Pflichten
Wer PPWR‑gerechte Verpackungen, DPP‑Transparenz und schadstoffarme Materialien früh realisiert, erschließt Kostenvorteile in der Rückführung, reduziert Re‑Design‑Risiken und stärkt Markenzugang in regulierten Branchen. Die Verzahnung von Qualität, Compliance und Nachhaltigkeit entlang des Produktlebenszyklus wird so vom Kostenblock zum Differenzierungsmerkmal im EU‑Binnenmarkt.
Fazit
Die Jahre 2025/26 markieren den Übergang zu deutlich strengeren, datengetriebenen EU‑Pflichten – wer jetzt Strukturen, Datenmodelle und Lieferantensteuerung modernisiert, reduziert Risiken und gewinnt Tempo im Markt. Qualität, Compliance und Nachhaltigkeit wachsen zusammen: Wer diese Trias als System denkt und digital abbildet, schafft einen robusten Wettbewerbsvorteil.